Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft

 
  Der Geruch von Schnee und von der Erde  
  Das hat Alexander Gerst nach seiner Landung in Kasachstan überwältigt. Ein halbes Jahr war der deutsche Astronaut im Weltall. Er hat das ganze Land mitgenommen. Vom Himmel hoch.

(Bericht: Der Tagesspiegel, 21.12.2018
Von Frank Herold und Richard Friebe)
 

Auszug aus dem Artikel
Ein Glücksfall für die Raumfahrt
https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/alexander-gerst-ein-gluecksfall-fuer-die-raumfahrt/23788184.html


Der Mann, der den Deutschen zum ersten Mal seit 35 Jahren das Weltall näherbrachte wie niemand sonst, sitzt in der Aussichtskapsel der internationalen Raumstation ISS. Über seinem Kopf schwebt die Erde, 400 Kilometer entfernt, weiße Wolkenfelder auf hellblauem Grund. Seit dem Frühsommer war das oft im Fernsehen zu sehen, der Astronaut Alexander Gerst berichtet dann über seinen Alltag auf der Station. Doch einer dieser Momente ist ein besonderer. Im November, Gersts Zeit im All geht zu Ende, richtet er eine Botschaft an eine Generation, die noch nicht geboren ist.

„Liebe Enkelkinder“, beginnt Gerst mit ruhiger Stimme. „Wenn ich so auf den Planeten runterschaue, dann denke ich, dass ich mich wohl bei euch entschuldigen muss.“ Seine Generation, sagt er, werde die Er­de wohl nicht in bestem Zustand an die Nachfolgenden übergeben. Gerst zählt auf: die hemmungslose Rodung der Wälder, der Müll in den Meeren, die Bodenschätze, die die Menschen viel zu schnell verbrauchen und die sinnlosen Kriege, die über ihm auf der Erde gerade geführt werden. Er ermutigt die nächste Generation, es besser zu machen, ihre Träume zu leben und „niemals ganz erwachsen zu werden“.
Es ist eine Erkenntnis, die offenbar jeder Weltraumflieger zu erlangen scheint. Sigmund Jähn sprach ähnliche Sätze nach seinem Flug 1978, und Ulf Merbold fünf Jahre später auch. Der Menschheitstraum, das Weltall zu bereisen, löst bei denen, denen er erfüllt wird, vor allem eines aus: die durch Anschauung erlangte Ahnung von der Verletzlichkeit der Erde - und den Wunsch, dies allen anderen mitzuteilen.

Gerst spricht mit fiktiven Enkeln. Doch in Wahrheit redet er seinen Zeitgenossen ins Gewissen. Wir müssen versuchen, „doch noch die Kurve zu kriegen“, sagt Gerst. Am Donnerstagmorgen ist der 42-Jährige gemeinsam mit seinen beiden Kollegen, dem Russen Sergej Prokopjew und der Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor, in der kasachischen Steppe gelandet. Seine Mission ist zu Ende. Aber nur diese, seine zweite im All. Seine Mission geht auf der Erde weiter, sagt Gerst gleich nach der Landung. Er sagt auch: „Zum ersten Mal wieder den Geruch vom Schnee und von der Erde, das ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man das ein halbes Jahr nicht gehabt hat.“

Die Langzeitmission, die am Donnerstag zu Ende ging, hatte am 6. Juni 2018 begonnen. Sie hieß „Horizons“. Als erster Deutscher übernahm Gerst am 3. Oktober das Kommando im All.
Der Zwischenstopp in Kasachstan währt nur kurz. Früher schloss sich an Raumflüge eine längere Quarantäne an, inzwischen fliegen Astronauten, die an russischen Missionen teilnehmen, meist gleich in ihre Heimatländer. Am Abend schon trifft Gerst in Köln ein, dort wird er in einer medizinischen Forschungsanlage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt untersucht. Auch erste Gespräche über die Mission werde es geben, sagt Rüdiger Seine, Leiter der Astronautenausbildung bei der Europäischen Weltraumorganisation Esa. Dann ist auch für Gerst erst einmal Weihnachten mit der Familie. An einem geheimen Ort.
Die Gewöhnung an den Planeten, auch an die Schwerkraft wird noch eine Weile dauern. Trotz aller Fitnessübungen dort oben erschlaffen die Muskeln und schwinden die Knochen - ganz einfach deshalb, weil der Körper in der Schwerelosigkeit den hier unten üblichen Kampf gegen die Erdanziehungskraft nicht führen muss. Gerst wird gleich nachdem ihn Helfer aus der Landekapsel ziehen in einen Stuhl gesetzt. Schon das Heben der Arme bereitet Mühe.
(…)

Fachliche Kompetenz in vergleichbarer Qualität haben die anderen Raumfahrer auch. Was Gerst besonders macht, ist sein Talent als Vermittler von Eindrücken, Gedanken, Erkenntnissen, ja auch von Gefühlen. Für Kinder macht er die „Sendung mit der Maus“ aus dem All. Keinen Augenblick kommt er da - neben der schwebenden Maus, dem blauen Elefanten und dem Maulwurf - in die Gefahr, sich durch gekünstelte Naivität lächerlich zu machen.

Für die Erwachsenen spielt Gerst souverän mit den neuen Kommunikationstechnologien, die wir soziale Netzwerke nennen. Er nutzt sie, um aus dem All in Echtzeit Nachrichten über den Zustand unserer Erde zu senden. In der Abschiedsbotschaft von der ISS sagt er, dass „die einfachen Erklärungen oft die falschen sind“. Aber Gerst selbst liefert den Beweis, dass dieser Satz nicht stimmt. Wenigstens nicht absolut.

Er zeigt Fotos von den gewaltigen Wirbelstürmen, die über den Südstaaten der USA toben. Er habe ein Weitwinkelobjektiv benutzen müssen, um diese gewaltigen Naturerscheinungen, die in den letzten Jahren häufiger und heftiger auftreten, überhaupt aufnehmen zu können, sagt er. Schon mit dieser einfachen Bemerkung lässt er das Drama erahnen, dass sich da gerade am Boden abspielt.
(…)

Beim Rückflug rast die Landekapsel mit einer Geschwindigkeit von anfangs 28 000 Kilometern pro Stun­de um die Erde und kommt ihr allmählich näher. Beim Eintritt in die dichteren Schichten der Atmosphäre beginnen die gewaltigen Kräfte des Bremsvorgangs zu wirken. Die Reibung erhitzt das Kapsel-Schutz­schild auf Temperaturen um 2500 Grad. Innen, auf nur etwa zwei Quadratmetern Platz, fühlen die Astronauten das bis zu Fünffache ihres Körpergewichts. Seinen ersten Rückkehrflug 2014 schilderte Alexander Gerst mit den Worten: „Ich kann kaum atmen, weil meine Zunge so stark an den Gaumen gedrückt wird.“
Gersts Arbeitsplatz auf Zeit, die ISS, ist ein Auslaufmodell. Die USA haben ihren Anteil an der Station schon vor längerer Zeit zum Verkauf ausgeschrieben. Die Nasa will schon bald keine Astronauten mehr auf eine Erdumlaufbahn schicken. Sie will nach fast 50 Jahren zurück auf den Mond. Ähnlich setzt die russische Weltraumagentur Roskosmos ihre Schwerpunkte.

Alexander Gerst, 1976 in Baden-Württemberg geboren, studierte Geophysik in Karlsruhe. Er sagt, es war der Großvater, der sein Interesse an der Raumfahrt weckte. Der hatte als Amateurfunker den Mond als Re­flektor für Verbindungen Erde-Mond-Erde genutzt. In einem Auswahlverfahren der Europäischen Weltraumorganisation 2008 setzte Alexander Gerst sich mit fünf anderen gegen 8413 Bewerber durch. Knapp sechs Jahre später, am 28. Mai 2014, erreichte er zum ersten Mal den Weltraum.
 
     
     
 

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