Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft

 
  Buddhismus im Dialog 2  
  „Füreinander und miteinander im Dialog sein“, war das Motto des 1. Dialog-Forums Engagierter Buddhismus in der ÖBR. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden am 21. April 2018 in Wien die verschiedenen Initiativen der ÖBR präsentiert. Danach lud das ÖBR-Frühlingsfest im Innenhof zum Verweilen ein. Alle Einrichtungen finden Sie auf einem Blick hier:

www.oebr.at/engagement/
 

Trotz strahlenden Sommerwetters hat sich eine Vielzahl interessierter Besucherinnen und Besucher eingefunden, um am 2. Teil der Veranstaltungsreihe Buddhismus im Dialog teilzunehmen. Bereits am Vorabend hatten sich die 10 Gruppen mittels Kurzvorstellungen präsentiert. Der heutige Nachmittag ist dem Austausch, dem Dialog innerhalb wie außerhalb der buddhistischen Gemeinschaft gewidmet.
 
Nachdem ÖBR-Präsident Gerhard Weissgrab alle Anwesenden willkommen geheißen hat, lädt er zu einem kurzen Innehalten ein, gefolgt von herzlichen Dankesworten für all jene, die sich in der ÖBR ehrenamtlich engagieren. Um gleich im nächsten Satz ein Vorurteil zu bekämpfen, nämlich dass „Buddhistinnen und Buddhisten nur auf ihren Pölstern sitzen und sich mit sich selbst beschäftigen“. Dabei, so Weissgrab, sei doch genau jenes Innenschauhalten Voraussetzung für Engagement nach außen hin.
 
Genau genommen sei „engagierter Buddhismus“ ein Pleonasmus. Buddhismus sei in seinem wahren Kern stets „engagiert“, denn wer sich selbst erforscht, kann seine Erkenntnisse in die Welt hinaustragen.
 
Nach dem 1. Dialog-Event im November 2017 zum Thema „Tier.Mensch.Gesellschaft“ stehen bei der heutigen Veranstaltung die im sozialen Bereich angesiedelten ÖBR-Initiativen im Mittelpunkt, nach drei Themenschwerpunkten geordnet.
 
Unter dem ersten – „Anhaften und Loslassen“ – werden Krankenbegleitung, Mobiles Hospiz und Trauergruppe sowie Sangha-Beratung präsentiert. Allgemein wird konstatiert, dass Einsamkeit ein großes Problem der heutigen Zeit ist und dass zudem Gefühlen wie Angst und Trauer (fast) kein Platz gegeben wird. Um dem entgegenzuwirken, versteht sich die konfessionsunabhängige Trauergruppe, so Susanne Penstone, als offen und ohne zeitliche Beschränkung. Die JIVAKA-Krankenbegleitung wiederum richte sich an Personen, die buddhistisch interessiert sind bzw. praktizieren, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht ihre Gruppen besuchen können.
 
Die Schilderungen von Swantje Cooper (Mobiles Hospiz, stellvertretend für die Koordinatorin Inni Strobl, siehe auch Interview in dieser Ausgabe) über ihre Begegnungen mit Schwerst- und Sterbenskranken in der Palliativabteilung des AKH Wien führt zu einem intensiven Austausch über die Frage, ob und wie sich buddhistische Krankenbetreuung von jener anderer Religionen unterscheidet. Dabei ginge es, betont Swantje Cooper, viel weniger darum, „etwas Gescheites zu sagen“, sondern viel mehr um Zuwendung, um Da-Sein für den anderen.
 
Oftmals wäre der erste Kontakt mit den sterbenskranken Menschen gar kein verbaler, sondern eine behutsame, achtsame Handlung wie etwa ein Wasserglas anfüllen oder den Vorhang öffnen. Es sei immer der oder dem Kranken überlassen, worüber gesprochen wird. Zuhören, die oder den anderen „kommen lassen“, stünde im Mittelpunkt dieser Begegnungen. Viele Fragen würden sich ihr dabei stellen, so Swantje Cooper, etwa „wie spreche ich mit jemandem, der nicht mehr reden kann? Wie gehe ich mit meiner eigenen Betroffenheit um? Was heißt ‚Sterben‘ für mich?“ Dabei werde ihr immer wieder aufs Neue bewusst, wie sehr sie ihr eigenes Anhaften am Leben unterschätzt.
 
Auf Nachfrage unterstreicht sie neuerlich, dass Belehrungen oder Ratschläge in diesen Situationen nicht gefragt seien – denn sie alle seien keine Seelsorger/innen. Theorie sei in diesen Momenten fehl am Platz, ergänzt Gerhard Weissgrab, denn finale Antworten gibt es keine; man könne immer nur fragen „Wo stehe ich im Moment?“. Manchmal erfordere die Situation, „sprachlos“ zu sein, Stille und Schweigen auszuhalten, erklärt Cooper. Dies gelte, wirft Susanne Penstone ein, auch für die Trauerbegleitung, wenn etwa ein Hinterbliebener noch gar nicht fähig oder willens ist, sich mit dem Verlust im Gespräch auseinanderzusetzen.
 
Denn „die wirkliche Trauer beginnt erst nach dem Begräbnis“, weiß auch Marina Jahn aus Erfahrung: sie richtet buddhistische Zeremonien am Lebensende und Verabschiedungen aus (aber auch Hochzeiten, Übergangszeremonien …). Trotz des traurigen Anlasses gäbe es aber auch da Momente der Leichtigkeit. Sie empfiehlt, beim Begräbnis ein Foto mitzubringen, damit man mit der oder dem Verstorbenen noch einige Worte wechseln kann. Oft sind es verpaßte Chancen zum Gespräch, die man später besonders bereue. Hier wird Seneca zitiert, der treffend erkannte: „Die Tragik des Lebens ist nicht die Kürze, sondern dass man zu spät erkennt, was wirklich wichtig ist.“
 
Wer sich für die Mitarbeit bei einer dieser Initiativen interessiert, dem sei für weitere Informationen die jeweilige Website empfohlen: www.hospiz-oebr.at. Für die ehrenamtliche Hospizarbeit werden Befähigungskurse angeboten, denen die Teilnahme an einem Auswahltag vorangeht. Für die Krankenbegleitung sind Ausbildungen in Planung.
 
Sangha-Beratung – Unterstützung und Beistand bei konkreten Problemen wie Konflikten in der Beziehung oder im Beruf, bei der Jobsuche etc. – bieten Loui Hatz und Susanne Hödl. Einsamkeit, haben auch sie konstatiert, ist ein gravierendes Problem; es fehlt vielen Menschen ein Gegenüber, mit dem sie sich austauschen können. Erfüllt von Metta, liebevoller Güte, helfen die beiden dem Ratsuchenden zu erkennen, was wirklich Sache ist, worum es tatsächlich geht. Mitgefühl, so Susanne Hödl, ist auch elementarer Bestandteil ihres Engagements bei der Betreuung Suchtkranker in Wien. Sie könne so zwar das Leiden nicht wegnehmen, aber es wenigstens mildern. Laut der buddhistischen Lehre, ergänzt Andreas Hagn von der buddhistischen Gefangenenbegleitung, entsteht alles Leiden durch „Anhaftung“. Meditation ließe nach seiner persönlichen Erfahrung einen „Raum“ entstehen, in dem Erkenntnis wachsen und sich ein klarer Geist entwickeln kann.
 
Nach einer ersten Pause geht es weiter mit dem Themenschwerpunkt „Ich, Ihr und Wir“. Dani Fiedler, die den Nachmittag moderiert, betont zu Beginn die Vielseitigkeit dieser Gruppe an Initiativen.
 
So hat sich Animal Compassion unter der Leitung von Gerhard Weissgrab konfessionsübergreifend zum Ziel gesetzt, Bewusstsein in unserer Gesellschaft dafür zu stärken, dass Tiere – wie die Menschen – fühlende Wesen sind. Um die Wahrnehmung von Leid verursachenden Faktoren in unserem Verhalten gegenüber Tieren zu fördern, wurde am 14. November 2017, wie eingangs schon erwähnt, eine Podiumsdiskussion organisiert, welche am 20. November 2018 ihre Fortsetzung finden wird.
 
Zu erkennen, dass Menschen und Tiere miteinander verbunden sind, ist ein „erster kleiner Schritt auf dem langen Weg der Mitte“, wie Gerhard Weissgrab es ausdrückt. So innig der Wunsch nach einem idealen Zusammenleben von Mensch und Tier sei, so könne es realistischerweise immer nur eine gemeinsame Annäherung geben. Dies gelte bei weitem nicht nur für die westliche Welt, sondern auch für Länder im asiatischen, buddhistisch ausgerichteten Raum. Denn auch dort sei er mit Tierleid konfrontiert, so Weissgrab. Eine Tatsache, die ihn „erschreckt, aber nicht verzweifeln lässt“.
Denn der buddhistische Weg sei ein langsamer – keiner, der schnelle Lösungen bietet. „Evolution statt Revolution“ bringt er es auf den Punkt. Auf die Bemerkung eines Zuhörers, dass im privaten Bereich geäußerte Prinzipien und Haltungen in der Öffentlichkeit dann oft dem Wunsch nach Erfolg und Anerkennung untergeordnet würden, reagiert er mit den Worten: „Die eigene Verantwortung ist nicht abzugeben.“
 
Nach Weissgrab präsentiert Heinz Vettermann die Initiative Achtsame Wirtschaft.
Hier kommen Interessierte zusammen, die sich in der Meditation und Achtsamkeit üben wollen und denen eine menschen- und umweltgerechte Wirtschaft ein Anliegen ist. Neben Treffen und Seminaren werden auch öffentliche Aktivitäten organisiert, wie etwa eine Gehmeditation über die Mariahilfer Straße am 1. Einkaufssamstag vor Weihnachten nach dem Motto „Freude schenken“. „Wenn nur einer der Beobachter innehält und sich mit der Aktion auseinandersetzt, ist schon etwas bewirkt“, so Heinz Vettermann.
 
Nach einer Definition von achtsamem Wirtschaften gefragt, nennt er Handlungen wie eine kurze Meditation vor Arbeitsbeginn, achtsam(er)es Umgehen mit anderen sowie auch mit Geld. Als eine Anwesende sich erkundigt, wie man sich gegenüber Gläubigern verhalten solle, wenn man der buddhistischen Ethik verpflichtet sei, zitiert Vettermann Thich Nhat Hanh: „Orientiere dein Handeln an deiner Praxis“, denn schlussendlich müssen wir uns immer mit uns selber beschäftigen, unsere Haltungen und Handlungen hinterfragen. Als weitere Inspirationsquelle nennt Vettermann Bhutans Konzept von „Gross National Happiness“, worin sich Faktoren wie Gesundheit, Bildung und Sozialkontakte vereinen.
 
Nach ihm berichten Mathias Lederer und Matthias Grümayer vom Netzwerk junger Buddhistinnen und Buddhisten. „Präsentieren und sichtbar machen“ ist das Ziel der Initiative, die sich als Plattform zum Austausch versteht. Interessierte im Alter zwischen 17 und 37 Jahren sind eingeladen, sich mit Ideen einzubringen. Neben Aktivitäten wie regelmäßigen Meditationsstunden und einem jährlichen Retreat in Scheibbs steht auch der interreligiöse Austausch im Mittelpunkt – zuletzt etwa bei einem Treffen mit einer Jungschargruppe.
 
Nach einer weiteren Pause, die Gelegenheit zum Gedankenaustausch bietet, steht der restliche Nachmittag im Zeichen von „Drinnen und draußen“. Als erstes der drei verbleibenden Projekte präsentiert Andreas Hagn die Gefangenenbegleitung.
Im Rahmen dieser gesetzlich verankerten „seelsorgerischen Betreuung“ sind neben Briefkontakt und Einzelgesprächen auch Gruppentreffen möglich.
 
Eigentlich wollte er „etwas mit Jugend machen“, so Andreas Hagn, bevor er in sehr persönlichen Worten beschreibt, wie der Kontakt im Rahmen dieser Tätigkeit nicht nur die Insassen verändert hat, sondern auch ihn. Die Geschichten, die er gehört hat, hätten sein Leben „grundlegend erweitert und eine innere Transformation zur Folge gehabt“, schildert er. Voraussetzung dafür sei, auf jeden bedingungslos und (so gut es geht) ohne Bewertungen zuzugehen. Natürlich gäbe es auch Häftlinge, die sich nur aus Neugierde oder Langeweile oder in der Hoffnung, damit „Pluspunkte“ zu sammeln, mit Meditation oder buddhistischen Themen auseinandersetzen. Umso mehr bedeute es ihm, dass er manch andere im Prozess der Übernahme von Eigenverantwortung begleiten könne, auf dem Weg „hinein ins Leben“.
 
Nach außen tretende Gewalt ist in unserer Gesellschaft vorrangig männlich konnotiert – und die Gefängnisrealität reflektiert dies: 95 Prozent der Insassen sind Männer. Dabei wird oft vergessen, dass niemand böse geboren wird. Vor allem den späteren Auswirkungen von mütterlicher Gewaltausübung an Kindern, kritisiert Andreas Hagn, würde viel zu wenig Beachtung geschenkt.
 
Der Tätigkeit mit Insassen geht eine komplexe Einschulung voraus, in der gelernt wird, was erlaubt ist und was nicht. Auch Themen wie die Möglichkeit von Gewalterfahrung (z. B. Geiselnahme) werden dabei angeschnitten. Auf die Inhalte der Gespräche angesprochen, vergleicht er diese mit einer Art Beichte, wobei im Falle krimineller Inhalte natürlich jede/r angehalten sei, mit der Information korrekt zu verfahren.
 
Hinaus in die Natur – dorthin führt Reinhard Malicek Interessierte mit seiner Wandergruppe Buddha-Natur. Denn „die Natur nährt uns“ und im Dialog mit der Natur und der Gruppe sind wir, wie auch im restlichen Leben, „immer Lehrer und Schüler zugleich“. Malicek erzählt von einer Wanderung, im Rahmen derer eine Mutter und ihre zwei Mädchen den Anschluss an die anderen zu verlieren drohten. Um dem entgegenzuwirken, bat er die Mädchen, mit ihm Hand in Hand voranzugehen und den anderen den Weg zu weisen. Dieses Erlebnis war für die Kinder so einprägsam, dass sie ihm einige Monate später eine Zeichnung schenkten, worauf sie mit ihm händehaltend beim Wandern zu sehen sind. „Wir kannten einander zwar nicht, aber wir hatten synchronisierte Herzen“, beschreibt Malicek das Erlebte. Um die Wanderung auch für die anderen festzuhalten, erstellt Malicek nach jedem Ausflug ein Fotoalbum für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
 
Die Karuna Flüchtlingshilfe der ÖBR wird, da der Initiator Florian Stollberg verhindert ist, von Swantje Cooper vorgestellt. Integration von der ersten Stunde weg ist die Hauptprämisse des Vereins, der im Oktober 2015 gegründet wurde. Neben Sachspenden und finanzieller Unterstützung werden auch psychosoziale Betreuung und Rechtsberatung sowie Sprachkurse im privaten Umfeld angeboten. Der Buddhismus stehe hierbei nicht im Mittelpunkt, weder die Betreuten noch manche der Unterstützer seien Buddhisten.
 
Auf konkrete Beispiele angesprochen, erzählt sie von einer Familie von iranischen Kurden. Nach der Flucht über die Türkei stellte sich bei der Ankunft in Wien heraus, dass die Mutter dringend medizinische Hilfe wegen einer Tumorerkrankung benötigt.
Leider erhielt die Familie – trotz Lebensbedrohung (der Sohn konvertierte zum Christentum und war deshalb Folter ausgesetzt und wurde mit dem Tod bedroht) – einen negativen Bescheid. Die Betreuung werde noch so lange wie möglich erfolgen.
 
Mit abschließenden Worten durch Gerhard Weissgrab, in denen dieser allen Anwesenden für die rege Beteiligung dankt, geht dieses 1. Dialog-Forum zu Ende – die von Herzlichkeit, Offenheit und aufrichtigem Interesse geprägte Atmosphäre bleibt noch lange in Erinnerung.
 
Bericht von Andrea Balcar, Redaktion ÖBR Magazin

Alle Gruppen finden Sie auf unserer Website im Detail beschrieben:
www.oebr.at/engagement/
 
     
     
 

Verantwortlich für diesen ÖBR Newsletter ist die
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft  
A-1010 Wien, Fleischmarkt 16

Tel. 01 / 512 37 19    Fax: 01/ 512 37 19 - 13   
www.facebook.com/Buddhismusinoesterreich

Sie haben Anregungen für uns oder interessieren sich für weitergehende Informationen? Dann schreiben Sie uns: office@buddhismus-austria.at
Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

Wollen Sie die Arbeit der ÖBR auch finanziell unterstützen?
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft  
IBAN Account: AT 46 6000 0000 0131 7747
BIC: OPSKATWW