Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft

 
  Interreligiöse Konferenz  
  Konferenz am 19.6.2019 in der Hofburg in Wien:
„Von der interreligiösen und interzivilisatorischen Zusammenarbeit zur menschlichen Solidarität“

Nicht zum ersten Mal, aber diesmal in Österreich in der Hofburg in Wien, wurde diese Konferenz veranstaltet, die eine interessante Vielfalt an Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorzuweisen hatte. Auch die Zusammenstellung der veranstaltenden Institutionen war sehr interessant – die Veranstalter waren nämlich: Die Botschaft der Republik Azerbaijan in Österreich, das KAICIID-Dialogcenter, das Genfer Zentrum zur Förderung von Menschenrechten und globalen Dialog, sowie das Baku internationale Zentrum für interreligiöse und interzivilisatorische Zusammenarbeit. Letzteres, mit Sitz in der Hauptstadt von Azerbaijan, war sicher auch namensgebend für diese Konferenz mit dem bemerkenswerten und langen Titel.

Immer, wenn ich in einem sehr schönen und beeindruckenden Umfeld an solchen Konferenzen teilnehme, so frage ich mich, was bewegt sich wirklich? Ist es mehr, als schöne Reden und gute Gespräche, bei denen sich alle einig sind, wie schlecht die Welt draußen ist und wie gut der Beitrag der einzelnen Religionen, deren Vertreter hier reden dürfen?
Neben Vertreterinnen und Vertretern von UN-Organisationen, der mosaischen Religion, sowie verschiedener orthodoxer Christen, waren außer mir, als einzigen Vertreter einer nicht-theistischen Religion, hauptsächlich muslimische Proponenten am Rednerpult. Viele Gedanken gingen mir bei den einzelnen Aussagen der Rednerinnen und Redner durch den Kopf. Mein Resümee ist ein sehr positives, weil es immer gut und inspirierend ist, wenn alle miteinander im Gespräch sind und bleiben.

Hier, anstelle eines inhaltlich konsistenten Berichtes, einige Notizen, die ich mir im Tagesablauf gemacht habe:
„Die meisten der Vortragenden haben sich positiv zur Diversität geäußert und sie als förderungs- und erhaltenswert gepriesen. Trotzdem wurde danach meist davon gesprochen, dass wir alle Kinder dieses einen Gottes sind. Wo bleibt da die Diversität der Weltanschauungen?“

„Der Redner der UN verweist darauf, dass Spiritualität immer bedeutender wird! Aber, und das ist meine Anmerkung dazu: diese Spiritualität hat keine Konfession! Und wie ist das eigentlich mit den Exklusivitätsansprüchen einzelner Religionen und vor allem auch innerhalb unserer diversen buddhistischen Traditionen?“

„Ein Sprecher einer orthodoxen Tradition beklagt ganz besonders den Verlust von Religion in der heutigen Gesellschaft und die Entwicklungen im Umgang mit den Geschlechtern und alle Formen von Freizügigkeit und die Haltungen zur Freigabe von Schwangerschaftsabbrüchen. Er sieht die Lösung in einem Zurück zum alten Glauben!" (?!?)

 „Grundaussage einer Rede: Gott und der Glaube an ihn löst alle Probleme, das nicht-Glauben an ihn hat sie gemacht!“ (?!?)

„Immer wieder wird auch davon gesprochen, dass die wirkliche Herausforderung außerhalb dieser Konferenz liegt. Schöne Reden hier zu halten ist die eine Geschichte, deren Inhalt aber draußen in der Welt zur Umsetzung und Wirkung zu bringen, die ganz andere – aber ganz wesentliche – Geschichte!“

„Es sprechen sich viele der Teilnehmenden ganz klar gegen den Missbrauch von Religion aus und betonen, dass dort, wo Missbrauch stattfindet, keine Religion mehr stattfinden kann.“

Und abschließend: „Das Fremde löst immer Angst aus!“ – Diese Gleichung gilt es aufzulösen!!

Jede und jeder Redner hatte ca. 5 -7 Minuten für seinen Beitrag zur Verfügung und es gab unterschiedliche Themenvorgaben. Hier im Anschluss mein Redekonzept für diesen Kongress zum Thema:
 
Bedeutung gemeinsamen Handelns von Politikern, Wissenschaftlern und Religionsführern, sowie Vertretern der Öffentlichkeit beim Schutz von Menschen-, Frauen- und Kinderrechten.
 
Einleitend zwei Perspektiven zum Begriff des Handelns:
Seien wir uns bewusst, dass es so wie bei der Kommunikation auch beim Handeln, keine Möglichkeit gibt, nicht zu handeln. Auch wenn wir uns entschließen, nicht zu handeln, oder es bewusst unterlassen zu handeln, dann ist das eine Handlung. Und zweitens: Wir müssen uns bewusst sein, dass unser Handeln immer Folgen hat – für die Anderen, aber genauso auch für uns selbst.
 
Aus diesen beiden Gedanken leitet sich eine große Verantwortung ab und zwar möchte ich hier ganz bewusst von Eigenverantwortung sprechen: Und diese Eigenverantwortung wird umso bedeutender, je größer unser Einflussbereich ist – die Macht und der Spielraum, den wir für unser Handeln haben. Bei Politikern, Wissenschaftlern, Wirtschaftsführern und Religionsführern ist diese Eigenverantwortung besonders hoch. Was braucht es nun, um diese Verantwortung auch wirklich wahrnehmen zu können, dieser Eigenverantwortung gerecht zu werden?

Es braucht einen klaren Blick, um zu erkennen, wie die Dinge wirklich sind. Es braucht Gelassenheit, Erkenntnis und Einsicht.
 
Grundsätzlich neigen alle Menschen – und nicht zuletzt auch alle großen Führungspersönlichkeiten dieser Welt dazu, die Dinge durch die eigene Brille der persönlichen Erwartungen  zu sehen – die Dinge so zu sehen, wie wir sie gerne sehen. Und nicht so, wie sie wirklich sind.

Sich das bewusst zu machen, halte ich auch für einen ganz wichtigen Aspekt der Verantwortung. Und zwar reicht es hier leider nicht, sich das einmal bewusst zu machen und sich vorzunehmen – sondern das muss man sich jeden Tag aufs Neue bewusst machen – und es bleibt eine ständige und täglich neue Herausforderung.

Ins Zentrum meiner Überlegungen möchte ich ein paar Gedanken aus der Lehre des Buddhas stellen:
Der Weg des Buddha ist kein dogmatischer Weg, sondern ein Weg der Erkenntnis. Der Buddha selbst wird auch als Therapeut bezeichnet, weil er in seiner Lehre den Zustand unserer Welt unter anderem als unperfekt, mangelhaft und leidvoll beschreibt und gleichzeitig Wege aus diesen unbefriedigenden Zuständen anbietet.
In seiner Diagnose spricht der Buddha von 3 Giften, welche die Ursachen für diese unbefriedigenden Zustände unserer Welt darstellen

Das sind
Die Gier – das haben wollen, das nie genug sein! Dazu könnte ich sicher sehr viele klassische Beispiele anführen, ich möchte mich nur auf eines beschränken: Das Postulat des grenzenlosen Wachstums. Zu erkennen, dass das kein zielführender Weg sein kann, brauchen wir nur einen Blick in die Natur tun – jede Zelle, die unbegrenztes Wachstum zeigt, ist eine Krebszelle!

Als zweites Gift bezeichnet Buddha
Den Hass – die Ablehnung, das Nicht-Haben-wollen. Auch hier würden mir viele Beispiele einfallen und ich beschränke mich auch hier nur auf eines, nämlich die zunehmende Spaltung in unserer Gesellschaft. Die zunehmende Radikalisierung und das Fehlen eines konstruktiven Dialoges, das gemeinsame Handeln zum gemeinsamen Wohl des Ganzen.

Als drittes Gift bezeichnet der Buddha
Die Verblendung – die falsche Sicht auf die Dinge, eben, die Dinge nicht so zu sehen, wie sie wirklich sind. Worauf ich schon einleitend hingewiesen habe. In diese Kategorie fällt vor allem auch jede Form von Egoismus und die Exklusivitätsansprüche – nur meine Sicht, mein Weltbild, meine Religion ist die einzig Richtige, alle andern sind ganz, oder zumindest teilweise falsch. Persönlich halte ich dieses dritte Gift als für das Bedeutendste, erstens, weil es sicher sehr schwer zu überwinden ist, und zweitens, weil es aus meiner Sicht auch die beiden Gifte Gier und Hass eigentlich schon enthält. Weil aus meiner Sicht eben Gier und Hass nur auf einer falschen Sicht der Welt basieren können.

Wichtige Gegenmittel gegen Verblendung sind neben dem Versuch, die Welt nicht verblendet zu sehen, sondern möglichst so, wie sie wirklich ist – das ständige Bemühen um Ausgewogenheit und nicht zuletzt: Das Vermeiden von Extremen und das Bemühen um einen Weg der Mitte!
 
Abschließend möchte ich noch 3 Gedanken formulieren und mit auf den Weg geben, um nicht nur den Schutz von Menschenrechten, Frauen- Kinder- und Minderheitenrechten zu fördern, sondern vielleicht darüber hinaus eine Entwicklung anzustoßen, die keine Rechte mehr für einzelne Bereiche braucht, weil wir verstanden haben, dass wir selbst nur ein gutes Leben führen können, wenn das alle anderen um uns herum auch tun können. Und ich mache hier keinen Unterschied zwischen den fühlenden Wesen, egal ob Mensch oder Tier – und für beide ist auch eine intakte Umwelt Grundbedingung für Leben überhaupt.

Erster Gedanke: Der Dialog. Es gibt kein gemeinsames Handeln ohne gemeinsamen Dialog. Grundsätzlich ist nichts und niemand aus dem Dialog auszuschließen und es gibt keine Alternative zum Dialog. 

Mir ist allerdings schon sehr bewusst, dass es Grenzen des Dialogs gibt, und Situationen, wo Dialog einfach nicht möglich ist, weil eben Dialog verweigert wird und keine Bereitschaft dafür besteht. Was dort an die Stelle eines Dialoges treten soll, weiß ich nicht – ich habe bis jetzt noch keine Alternative zum Dialog gefunden – vielleicht können wir gemeinsam darüber nachdenken, was hier helfen könnte?

Ein zweiter Gedanke, den ich abschließend mit Ihnen teilen möchte, ist die Einsicht, dass alles mit allem verbunden ist, dass alles in gegenseitiger Wechselwirkung steht und wir daher auch niemals handeln können ohne Wirkung für andere, aber auch für uns selbst zu erzielen. Daher sollten wir immer besonders achtsam auf die möglichen Folgen unseres Handelns sein, und zwar möglichst bevor wir aktiv werden.

Der dritte Gedanke betrifft die Haltungen und Grundeinstellungen, welche unser Handeln immer begleiten sollen, und  das sind:Weisheit und Mitgefühl   -  Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen!

Und in diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche dieser Veranstaltung nachhaltigen Erfolg und Wirkung!

Mögen alle Wesen wohlauf und glücklich sein! Danke!
Gerhard Weißgrab
 
     
     
 

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