Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft

 
  Vortrag im Stift Melk  
  Ich glaube – vielleicht irre ich mich, aber es ist meine Wahrnehmung – dass eine einzelne Religion oder Weltanschauungsgruppe ausreicht, um einen Krieg auszulösen. Aber es bedarf der gemeinsamen Anstrengung aller Religionen und Weltanschauungsgruppen, um echten und nachhaltigen Frieden zu schaffen und zu erhalten.

Daher schätze ich die heurige Entscheidung des Stiftes Melk, nicht nur die Weltreligionen zum Dialog zu laden, sondern auch die Themen und Teilnehmer auf eine breite Basis zu stellen. Es geht nur im Miteinander mit allen - nur im Dialog innerhalb der einzelnen Religionen und Weltanschauungen und zwischen ihnen.

Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Dialoges besteht darin, dass man sich selbst kennt und auch die Dialogpartner.
 

Vielleicht mag es manche überraschen, wenn ich sage „sich selbst zu kennen“, weil sie es für selbstverständlich halten, sich selbst zu kennen. Spätestens bei der Vorbereitung auf ein Thema wie dieses heutige hier – wo gefordert ist, seine eigene „Glaubenswahrheit“ zu erläutern und darzulegen – zeigt es sich, wie undeutlich oft die Konturen des eigenen Selbst sein können. Wir sind – und das besonders aus buddhistischer Sicht – immer wieder gefordert, nicht nur das Andere, sondern auch das Eigene ständig neu zu erkennen und zu definieren. Und das heißt nicht, dass wir nicht trotzdem auf einem festen Fundament stehen – im Gegenteil – solche wichtigen Exkurse brauchen ein festes Fundament, um sie in entsprechender Ernsthaftigkeit und Tiefe führen zu können.
 
Wie schaut nun dieses Fundament im Buddhismus aus?
Woran glauben Buddhisten?
An diesen dicken lachenden glatzköpfigen Gott, dem wir oft im Chinarestaurant begegnen, und daran, dass sie als Wurm wieder geboren werden, wenn sie kein gutes und ethisch hochstehendes Leben führen?

Ich muss Sie enttäuschen, meine Damen und Herren, weder glauben Buddhisten an einen Gott, auch nicht an Buddha als Gott, da Buddha ein erwachter Mensch ist, kein Gott und kein Prophet. Grundsätzlich gibt es auch keinen Glauben an eine Wiedergeburt – worum es aber gehen könnte, ist ein Verstehen des ständigen Kreislaufes von Werden und Vergehen und dem Gesetz von Karma und gegenseitiger Bedingtheit.

Der Buddhismus ist keine Glaubensreligion, sondern eine Erkenntnisreligion. Es geht nicht um Glaubensdogmen oder – sätze, sondern um Erkenntnis und Einsicht. Das bedeutet aber nicht, dass es im Buddhismus nicht genug Aberglaube gibt. Der lachende Buddha ist einer der Beweise dafür, gilt es doch als unbedingt glücksbringend, wenn man mit der Hand über seinen dicken Bauch streicht. Es gibt viele Erzählungen darüber, was der Buddha vor seinem Tod gesagt hat. Eine davon lautet: „Ich habe keinen Nachfolger, meine Lehre sei euch Leuchte und jeder selbst sein eigenes Licht!“

Die Lehre des Buddha – der Dharma – ist das, was aus buddhistischer Sicht noch am ehesten mit dem Schöpfergott der monotheistischen Religionen vergleichbar ist. Wobei wir uns natürlich immer vor Augen halten müssen, dass jeder Vergleich ziemlich fuß-marod ist, weil er sehr hinkt. Wir gehen aber, wenn wir etwas für uns Neues oder Fremdes verstehen wollen immer von unserem bestehenden Wissen aus und ziehen daher zwangsläufig Vergleiche. Das funktioniert nicht immer gut und führt auch sehr oft und leicht zu Missverständnissen. Wir vergleichen oft Dinge, die einfach nicht vergleichbar sind. Wir suchen Vergleiche, wo wir oft gar keine finden können und uns auf etwas völlig anderes oder völlig neues einlassen sollten. 

Trotz aller wahrscheinlichen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten möchte ich ein paar Gedanken mit Ihnen teilen und versuchen, einen Einblick in die Essenz der buddhistischen Lehre zu geben, vor allem eine Idee davon, worauf Buddhisten vertrauen und was ihnen wichtig ist umzusetzen.

Ich könnte es in nur einem einzigen Satz ausdrücken! Dieser Satz würde lauten: „Buddhistische Praxis besteht darin: Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen zu üben und Weisheit zu erlangen.“
Das ist die Aufgabe, aber was sind die Werkzeuge und hilfreichen Mittel auf diesem Weg?
Lassen Sie mich bitte 3 Gedanken herausgreifen:
1. Das Verständnis des „wechselseitig bedingten Entstehens aller Phänomene“ paticca samuppada
2. Die Vier unermesslichen Geisteshaltungen
3. Den unabdingbaren Respekt, die Haltung von Ahimsa (der Boden, auf dem sich alle treffen können und sollten)

Ad. 1 Das buddhistische Weltbild ist ein holistisches, das heißt, hierin ist alles von allem bedingt und gegenseitig in Abhängigkeit. Dies führt zu der Aussage, nichts existiert alleine oder kann alleine existieren. Nichts existiert aus sich und für sich selbst. Nichts entsteht und vergeht aus sich heraus oder für sich allein. Alles was geschieht oder existiert, geschieht und existiert nur innerhalb von Beziehungen. Das heißt, ich kann nicht handeln, ohne damit etwas zu bewirken, das auf alle und alles andere wirkt und damit aber auch gleichzeitig immer auch auf mich selbst. Im Avatamsaka-Sutta gibt es den Vergleich vom Netz des Indras. Dort heißt es, unser Universum ist mit einem Netz vergleichbar. An jedem einzelnen Knotenpunkt in diesem Netz ist ein facettenreicher Diamant befestigt. Wenn sich nun etwas in einer dieser Facetten bewegt, dann spiegelt sich das in allen anderen Facetten dieser unzählbaren Diamanten wider.
Eine andere Bezeichnung für diese unabdingbare Gegenseitigkeit fand der berühmte vietnamesische Lehrer Thich Nhat Hahn mit dem Begriff des „Intersein“.
 
Ad 2.  Es gibt viele Werkzeuge am Weg zur Verwirklichung des buddhistischen Weges, niedergeschrieben sind sie auch im Edlen Achtfachen Pfad. Darin geht es um Einsicht, ethisches Verhalten und meditative Versenkungen.

Eines der Ziele auf diesem Weg ist die Verwirklichung der Vier Unermesslichen Geisteshaltungen:
Metta – allumfassende Liebe und Güte
Karuna  - Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen
Mudita – Mitfreude mit allen fühlenden Wesen
und Uppekha – Gleichmut

Lassen Sie mich bitte nur ein paar Worte zu diesen einzelnen Geisteshaltungen sagen. Grundsätzlich möchte ich anmerken, dass unsere Haltungen, unser Wollen, eine ganz wichtige Größe im Buddhismus darstellt. Unsere Gedanken erzeugen unsere Worte und unseren Worten folgen unsere Taten. Daher ist es ganz wichtig, darauf zu achten, welche Gedanken uns die längste Zeit beschäftigen – bitte das nicht mit „positiv Denken“ verwechseln. Es geht nicht darum, sich etwas einzureden, sondern möglichst die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, das heißt letztendlich immer auch dahinter zu schauen, was andere antreibt und motiviert, bevor wir unser Urteil fällen.

Nun zu diesen 4 unermesslichen Geisteshaltungen:
Allumfassende Liebe und Güte versteht sich als Liebe und Wohlwollen auf selbstloser Ebene, sie sieht das Wohl des Einzelnen sowie auch des Ganzen. Ich darf mich dabei selbst durchaus mit einbeziehen – nein – ich muss mich sogar selbst mit einbeziehen – sonst könnte es für mich zu unheilsamen Entwicklungen, wie z.B. zum Burnout kommen.
Das „sich um sich selbst gleichwertig zu kümmern“ ist eine wichtige Voraussetzung, wenn ich für andere wirklich effizient sein will. Das wird oft nicht gesehen – und letztendlich gehört es auch zu den oft geäußerten Vorurteilen dem Buddhismus gegenüber – es heißt: die Buddhisten meditieren sich im Kloster die Welt schön, und was die anderen und die Gesellschaft betrifft, interessiert sie nicht.

Ich verstehe, wie das zustande kommt, aber es ist eine falsche Sicht. Es gehört zu den edelsten Aufgaben für einen Buddhisten, sich um die eigene Entwicklung zu kümmern. Aber das geschieht auf jeden Fall auch deshalb, um anderen besser beistehen zu können. Es gibt z.B. im Mahayana-Buddhismus das Gelübde, trotz Erreichen von Nirvana, im Kreislauf der Wiedergeburten bestehen zu bleiben, um allen anderen noch leidenden Wesen zu helfen.
Damit bin ich beim 2. Begriff, dem Mitgefühl. Eben diese Hilfe für andere entsteht aus der Erkenntnis der absoluten Verbundenheit mit allen Wesen. Hier spielen auch die Tiere eine große Rolle. Tiere gelten im Buddhismus in gleicher Weise als fühlende Wesen wie die Menschen. Ganz wichtig ist es mir auch anzumerken, dass es hier nicht um Mitleid, sondern um Mitgefühl geht. Das ist insofern bedeutend, denn bei Mitleid leiden wir eben mit – wie schon der Name MIT-leid sagt – und sind daher in unserem Handlungsvermögen eben durch dieses eigene Leiden eingeschränkt. Mir ist schon bewusst, dass das nicht immer einfach ist, nicht mitzuleiden.
Verwandt dem Mitgefühl ist der 3. Begriff, die Mitfreude. Will man das wirklich umsetzen, so erfordert das schon eine große Entwicklung auf dem Weg zur Auflösung des eigenen Egos. Wenn diese Auflösung nämlich noch nicht weit fortgeschritten ist, dann erleben wir statt Mitfreude sehr oft Neid!
Und abschließend der 4. Begriff, Gleichmut, darf auf keinen Fall – wie das leider auch sehr oft unterstellt wird – als Gleichgültigkeit verstanden werden. Gleichmut bedeutet, sich nicht von schädlichen Emotionen lähmen zu lassen. Gleichmut kann auch mit Gelassenheit gleichgesetzt werden und erfordert in beiden Fällen einen hohen Grad an Weisheit.

Am Ende meiner Gedanken sei noch betont, dass es sich bei der buddhistischen Religion um eine nicht-theistische Religion handelt. In dem oben von mir, sicher nur kurz und mangelhaft skizzierten buddhistischen Weltbild, ist die Idee eines Schöpfergottes nicht denkbar. Folgerichtig kann es daher weder zu einer Definition noch zu einer Negation eines Schöpfergottes kommen. Die buddhistische Religion basiert auf keinem Gottesbild sondern auf dem Dharma-Gesetz!

Gerhard Weißgrab

(Manuskript zur „Interreligiösen und Interkulturellen Begegnung 2017“ im Stift Melk zur Themengruppe: „Die Liebe zu Gott“ – diente nur der Vorbereitung und wurde nicht genau so vorgetragen.)
 
     
     
 

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